„konkret“ gegen Nationalismus und Rassismus
Dem hässlichen Deutschen die Hosen runtergelassen!

Analyse von Standpunkt und Argumentation des linken Sprachrohrs gegen Nationalismus und Rassismus: statt Erklärungen ganz viel Enthüllungen von altem und neuem Nazitum. Öffentliche Ideologien über die Gutheit deutscher Politik werden mit ihrem Gegenteil blamiert und auf einen falschen Grund zurückgeführt: am deutschen Nationalismus kritisiert man nicht den Nationalismus, sondern beschimpft den hässlichen deutschen Charakter.

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„konkret“ gegen Nationalismus und Rassismus
Dem häßlichen Deutschen die Hosen runtergelassen!

„konkret“ versteht sich als Sprachrohr gegen Nationalismus und Rassismus, gegen Wiedervereinigungstaumel und weltweite Einmischungsgelüste Deutschlands, gegen Asylhetzer und Skinheads. Im Pluralismus unserer gleichgeschalteten Medienlandschaft, wo es zum guten Ton gehört, das Treiben dieser Nation vom Standpunkt konstruktiver Verantwortung zu beurteilen, fällt die Zeitschrift damit automatisch auf: Ihre radikale Unzufriedenheit ist hierzulande weder üblich noch erwünscht; ebensowenig, daß in ihr Menschen zu Wort kommen, die – im Unterschied zu den meisten Kollegen von der Ex- bzw. Rest-Linken – imperialistische Absichten und deren ideologische Namen noch auseinanderhalten wollen.

„konkret“-Autoren entdecken im Gesülze vom „Zusammenwachsen“, das „wir Deutschen“ solidarisch zu bewältigen hätten, ein Expansions-Programm, dem sie sich „nie wieder“ anschließen wollen. Die unwidersprechliche „humanitäre Verantwortung“, die „uns“ zum Eingreifen auf dem Balkan „zwingt“, überführen sie als Rechtfertigungsformel Bonner „Säbelrassler“, die in ihnen keineswegs den Wunsch nach deutschen Soldaten in Sarajevo aufkommen läßt. Ein „Asylproblem“ halten sie nicht schon deswegen für das ihre, weil Kanzler und Oppositionsführer es zum „Staatsnotstand“ erklären. Das militante Problembewußtsein von rechten Flammenwerfern, beifallspendenden Bürgern und verständnistriefender Presse kritisieren sie als „völkischen Krieg“, der „nicht die Not, sondern die Notleidenden beseitigen will“. An der gewöhnlichen Ausländerfreundlichkeit, die Bimbos für nützliche Knechtsdienste von der Aufbesserung der Rentenkasse bis zur Bereicherung unserer Sauerkrautkultur schätzen, bemerken sie die Unart, „daß den Deutschen schon mit den allerbesten, ihrem eigenen Vorteil förderlichen Gründen kommen muß, wer von ihnen will, daß sie Ausländer nicht verbrennen“. Für schöngeistigen Multi-Kulti-Kult, die Anbetung des Andersartigen als Andersartiges, können sie sich darum ebenfalls nicht begeistern.

Deutschland und seine stolzen Einwohner verdammen sie also durchaus in Grund und Boden – aber wie und wofür?

Die Kritik: Von wegen Demokratie!

„konkret“ beschuldigt herrschende Sprachregelungen, Ideologien zu sein, bloß vorgeschobene Gründe für das Handeln dieser Nation. Was ist dann aber Sache? Wenn Deutschland seine Eingreiftruppe nicht zur Rettung von Witwen und Waisen braucht – wozu dann? Wenn Deutschland nicht wegen objektiver Überfüllung geschlossen werden muß – warum dann und „zu voll“ wofür? Wenn deutsche Bürger nicht einfach aus „Frust“ über Ausländer herfallen – wie kommen sie dann darauf? Die Neugier, die ihre Ideologiekritik wecken könnte, befriedigt „konkret“ auf eigentümliche Weise. Artikel, die ein Stück Erklärung versprechen – worum geht es bei Nato/WEU, europäischem Binnenmarkt, Asylrecht und nationalistischen Pogromen – geraten regelmäßig zu Enthüllungsstories. Wenn „konkret“ fragt, was „dahinter steckt“, löst sich nahezu jeder Gegenstand in die Entdeckung auf, daß auf dieser Welt entsetzlich viel Ewiggestriges unterwegs ist und es von alten und neuen Nazis nur so wimmelt.

Wozu dieses Kritikverfahren taugt, zeigen 2 Beispiele aus den Schwerpunktthemen der letzten Nummern :

1. Jugoslawien und Maastricht – Rückfall in alte Großmachtambitionen?

Wolfgang Pohrt zur Anerkennungspolitik der Bundesregierung in Jugoslawien:

„Konnte die Kampagne anfangs zur Not noch als Ausdruck einer blauäugigen, romantisch gefärbten Begeisterung für das Streben kleiner ethnischer Gruppen nach Autonomie und Selbstbestimmung passieren, so stand spätestens seit dem 18.7. fest, daß das ordnungspolitische Ziel nicht die kompromißlose völkische Selbstbestimmung war, sondern die völkische Diktatur eines faschistoiden Regimes über die ethnischen Minderheiten innerhalb seines Herrschaftsbereiches. War die radikal-slowenische Haltung bei angestrengt gutwilliger Auslegung noch zu begreifen als Versuch, auf billige Weise im Golfkrieg verspieltes Ansehen bei den Westmächten zurückzugewinnen, so stellte die Parteinahme für den Kroatenführer Franjo Tudjman, dessen Gedankengut dem des faschistischen Ustascha-Staats Kroatien nahekommt, einen offenen Affront gegen die westlichen Länder dar, die im zweiten Weltkrieg mit den Partisanen gegen das 3. Reich und sein Vasallenregime in Kroatien gekämpft haben.“ (9/91)

Und Georg Fülberth zu Maastricht:

„Im September 1992 hat sich gezeigt, daß der Kernpunkt der deutschen Kriegszielbeschreibung von September 1914 verwirklicht ist: ein europäischer Wirtschaftsverband ‚unter äußerlicher Gleichberechtigung seiner Mitglieder, aber tatsächlich unter deutscher Führung‘ … Immer wieder erzählten Kohl und Genscher, sie wollten kein deutsches Europa, sondern ein europäisches Deutschland. Das Ganze ist ein doppelter Bluff.“ (11/92)

Die Einlassungen machen deutlich, daß ihr Vergleich mit früher mehr als eine bloße Parallele sein will. Das Deuten auf ihn ist ein, ja, das Argument zur Sache! Beide aktuellen Projekte des deutschen Imperialismus – ihre Zielsetzung, ihre Adressaten, ihre Mittel – werden im Begriff (schlimme) „Kontinuität“ zusammengemanscht und fertig ist der Lack:

Über den Inhalt einer Staatsräson, die heute den Krieg in Jugoslawien anheizt und 12 Nationen zu einem Wirtschafts-, Währungs- und Militärblock zusammenschmiedet, weiß man zwar nicht Bescheid, wenn man darauf deutet, daß Hitler auch damals schon mit Kroatien paktierte und Reichskanzler Bethmann-Hollweg bereits 1914 auf ganz Europa als Geltungsbereich deutscher Macht und Herrlichkeit scharf war – dafür genießt man den billigen Triumph, Deutschland in eine unselige Tradition gestellt zu haben. Es stimmt zwar auch nicht, daß die vergrößerte BRD Kroatien wegen einer besonderen Affinität zu alten Hitler-Vasallen unterstützen würde und ihr Europaprojekt zwecks Vollendung von Bethmann-Hollwegs „Traum“ aufzöge – zur Denunziation der nationalen Berechnungen, die man als solche gar nicht zur Kenntnis nimmt, aber reicht es, sie mit dem schlechten Ruf ihrer Vorfolger zu kritisieren. Und können Pohrt und Fülberth für einen sachlichen Unterschied zwischen „kompromißloser völkischer Selbstbestimmung“ und „völkischer Diktatur“, zwischen einem „deutschen Europa“ und einem „europäischen Deutschland“ eintreten? Wer furchtbar auf Etiketten abfährt, macht daraus schon ein Argument und warnt ausgerechnet die Herrschenden in England und Frankreich vor dem großen deutschen „Bluff“!

Ist „konkret“ da nicht selbst hereingefallen? Wenn sie gegen Kohl, Kinkel, Rühe und all die anderen „Verantwortungs“-Aufkracher Stimmung machen will – warum hält sie sich dann nicht an deren Taten, sondern an das Schild, unter dem sie verkauft werden? Was etwa wäre an einem echten „Europa gleichberechtigter Vaterländer“ weniger schlimm? Weiß man bei „konkret“ nicht, daß der imperialistische Charakter des Europrojekts sich nicht in der Führung Deutschlands erschöpft, sondern dem imperialistischen Willen von ein paar großen und kleinen kapitalistischen Nationen entspricht? Wüßte „konkret“ wenigstens wegen der schon angefallenen und noch fälligen Opfer diese internationale Zusammenarbeit zu kritisieren – ohne das „Geständnis“ des Kanzlers, er wolle die Sache unter deutscher Führung abwickeln? Offenbar nicht.

Das typisch „konkret“e Kritikmuster geht immer so: Sie entlarvt – die Politiker an vermeintlich für sich selbst sprechenden Zitaten. Sie klagt an – und beweist ihren Vorwurf mit dem Verdacht auf böswillige „Verstrickung“ in die Vergangenheit. Sie blamiert – mit Vorliebe an der faschistischen „Erblast“ (im Fall Jugoslawien die Einmischung Deutschlands, im Golfkrieg sogar die angeblich feige Ausmischung!). Und hat deshalb seit September einen neuen Hit:

2. Rostock – Beginn eines neuen Faschismus?

Hermann L. Gremliza zu Asylpolitik und Ausländerhetze:

„Nicht obwohl, sondern weil sie im Fernsehen die vietnamesischen Familien auf der Flucht vor dem Tod in Rauch und Flammen gesehen haben, stimmen 51% der Deutschen dem ersten Teil des Nazi-Schlachtrufs zu, 26% dem zweiten: ‚Deutschland den Deutschen! Ausländer raus!‘ … Die instinktiv gleichgestimmte Reaktion der ganzen deutschen Gesellschaft, ihrer Politiker, ihres Apparats und ihrer Intelligenz auf die brennenden Unterkünfte von Asylbewerbern markiert den Anfang vom Ende der zweiten deutschen Republik.“ („Es war einmal…“, 10/92)

Erstens: Ausländeranzünden – der „Anfang vom Ende der zweiten deutschen Republik“?

Verurteilt derselbe Artikel nicht ein paar Zeilen vorher den „gleichgestimmten“ Zynismus von Politikern und Öffentlichkeit, den Rechtsstaat und das Ansehen Deutschlands zum eigentlichen Angriffsobjekt des rechtsradikalen Terrors zu erklären? Um wen soll man sich denn Sorgen machen, wenn die Asylantenbude brennt – um deren Insassen oder um diejenigen, die sie da reingesteckt haben? Und war das nicht eben diese 2. deutsche Republik?

Zweitens: „konkret“ warnt vor einem aufkommenden Faschismus. Aber: Wofür ist sie eigentlich, wenn sie sich für Demokratie stark macht? Redet sie überhaupt über die Leistungen dieser Republik und die Opfer, die sie (auch ohne Judengesetze, Gestapo und KZs) in 43 Jahren Demokratie produziert hat – oder nicht vielmehr über ein Bild von ihr?

Hat die Antifaschisten von „konkret“ jede Ahnung verlassen, daß Demokratie und Faschismus „zwei Formen bürgerlicher Herrschaft“ (ein früher sehr geläufiger Buchtitel von Reinhard Kühnl) sind? Daß Demokratie demnach kein Zweck, sondern eine Methode kapitalistischer Herrschaft ist? Man mag ja sogar eine Weile geglaubt haben, daß nationalistische Krawalle zu einer zivilisierten Demokratie nicht passen und Rassismus ein besonderes Kennzeichen des Faschismus ist… Bloß:

  • Wenn all diese häßlichen Dinge mitten in unserer blühenden Republik passieren, mit einem Parlament, mit einer freien Presse, mit mehreren Führern zur Auswahl –
  • Wenn der Schatten-Kanzler von der SPD für eine Verschärfung der Asylverfahren „durch die gemeinsame Tat der Demokraten“ wirbt, „weil sonst andere kommen und es tun“, also gar nicht verspricht, etwas anderes zu tun als die Schönhubers – was bleibt dann übrig von der liebgewonnenen Demokratie-Vorstellung?

Den Gedanken, daß diese Republik der Nährboden für alle angeprangerten „Auswüchse“ ist, faßt Gremliza selbst dann nicht, wenn er sich scheinbar illusionslos über die deutsche Demokratie ausläßt:

„Nicht obwohl, sondern weil die Parole ‚Deutschland den Deutschen‘ den Abschied von der Demokratie markiert, wurde ihr Inhalt im Herbst 1992 zu einer Gemeinsamkeit der Demokraten … Der Demokratisierungs- bzw. Zivilisierungsprozeß von 40 Jahren BRD existierte nur im Mißverstand von Verfassungsschützern und dem Größenwahn der Achtundsechziger“.

Wer zwischen „Demokratisierungsprozeß“ und „zivil“ leichten Herzens ein Gleichheitszeichen zu setzen versteht, der ist so wild entschlossen, Demokratie für ein prinzipielles Gütesiegel zu halten, daß er die Praxis von 40 Jahren Bundesrepublik eher zur Tarnung erklärt, als auf sie als Wert etwas kommen zu lassen.

Drittens: Nicht umsonst trägt sich die Kritik am Staat, er würde den „Weg nach Auschwitz“ nicht verhindern, vorzugsweise am Vorgehen der Staatsorgane vor: „Auf dem rechten Auge blind!“

„Die politische Polizei, die mühelos tausende Demonstranten von einem Treffen der Waffen-SS fernhalten oder wegtreiben konnte, steht ganz hilflos da, wenn zweihundert Glatzköpfe mit ihren Baseballschlägern stundenlang Leute durch eine Stadt jagen. Die Justiz, die gegen einen linken Attentäter lieber fünf- als viermal lebenslänglich verhängt hat, entdeckt, wenn die Mörder eines Afrikaners vor ihr stehen, die resozialisierende Wirkung kurzer Bewährungsstrafen. Man muß nicht der Meinung sein, daß es gut wäre, möglichst viele Nazis möglichst lange einzusperren. Ich wäre zwar, wenn mich einer fragte, sehr dafür, aber auf was es hier ankommt, ist der Kontrast, der es niemandem zu leugnen erlaubt, daß Polizei und Justiz Morde und andere Straftaten von rechts genau so sehr begünstigen, wie sie das auf dem Weg der Weimarer Republik ins Dritte Reich getan haben.“

„konkret“ bemerkt, daß der Rechtsstaat linken und rechten Protest ungleich behandelt, und fragt: Wo führt das noch hin? Antwort: In die Vergangenheit.

Was aber, wenn die Bundesrepublik ihren Weg gar nicht über Weimar mitten in eine einzige Hitlerei nimmt, sondern genau so weitermacht wie bisher und zur Zeit? Gibt es an der aktuellen Praxis dieser Nation so wenig auszusetzen, daß man sie bloß als Wegbereiter zu Schlimmerem zu kritisieren vermag? Reicht es nicht, daß sie in- und ausländische Arbeitskräfte Dienst schieben läßt, bei Nicht-Bedarf feuert oder aus dem Land wirft, und deutsche Ausländerfeinde auf Pogrom-Stimmung machen läßt? Dem ewigen Mahner vor ’33 offensichtlich nicht. Und was, wenn der „schlappe“ Rechtsstaat plötzlich anfinge, Neo-Nazis härter zu verfolgen und länger einzusperren? Wäre Gremliza dann glücklich?

Vor lauter Sorge um ein Bonn, das kein Weimar werden soll, übersieht er jedenfalls glatt, wie typisch rechtsstaatlich es ist, politischen Ansichten – linken und rechten – mit Polizei, Justiz und Verfassungsschutz zu begegnen. Und vor lauter Beschwerde über den „Kontrast“ der staatlichen Behandlung merkt er gar nicht, wie sachgerecht und insofern verhältnismäßig dieser Umgang ist! Bei Linken entdeckt der Rechtsstaat die staatsfeindliche Absicht und kriminalisiert sie; bei Rechten stört ihn nur die ungesetzliche Gewalttätigkeit eines im Prinzip staatsbürgerlichen Willens. Es ist erstaunlich, wieviel Linke dem staatlichen Gewaltmonopol, dessen regelmäßige Opfer sie sind, abgewinnen können, wenn wenigstens auch einmal Faschisten verknackt würden.

Der Schlüssel zu allem: Die Sozialpsychologie des deutschen Wesens

Daß der deutsche Staat von Arbeitskräften mit fremdem Paß zur Zeit genug hat und die Unterbindung ungesteuerter Zuwanderung von überflüssigen Elendsgestalten aus aller Welt zu einer seiner Hauptaufgaben macht; daß der Sympathiewert von Ausländern in der gleichen Zeit bei den meisten seiner Untertanen rapide gesunken ist und es immer moderner wird, die Gnade der deutschen Geburt gegen Menschen anderer Herkunft geltend zu machen – diese Einigkeit zwischen Politik und Volk ist den Leuten von „konkret“ zuwider. Zugleich allerdings zeigt ihre Kritik, daß sie weder wissen, worin diese Identität besteht, noch, wie sie sich herstellt:

Fürwahr, sie sind ein Volk, stöhnt Gremliza und meint damit Innenminister Seiters ebenso wie den Lichtenhagener Azubi, Lafontaine und die Hausfrau aus Sindelfingen.

Dieser Seufzer ist insofern programmatisch, als die Zeitschrift zwischen der Ausländerfeindlichkeit der Nationalisten von oben und unten keinen Unterschied zu machen pflegt. Bliebe damit bloß die Frage ungeklärt, wer der größte Drecksack im ganzen Land ist, wäre das nicht weiter schlimm. Bloß verwechselt sie damit auch Ursache und Wirkung.

Ohne die Herstellung des kleinen mörderischen Unterschiedes zwischen In- und Ausländern, die ein Akt staatlicher Subsumtion ist, hätten die „aufgebrachten Bürger“ schließlich gar keinen Gegenstand, auf den sich ihre „Wut“ entladen könnte – mit ihr sehr wohl. Erst recht, wenn selbiger Staat ein „Ausländer raus“-Programm auflegt, mit dem er sein Interesse verkündet, nicht wesentlich mehr Menschenmaterial auf eigenem Gelände herumlungern zu lassen, als er für die hiesige Profitproduktion gerade braucht (inklusive Reserve), und den Rest dort zu halten, wo er den Pfeffer kauft. Liegt die Vermutung da so fern, daß Otto Normalo, der „Kanacken – Koffer packen“ ans Asylantenheim schmiert, seine Obrigkeit genau richtig verstanden hat?

Exakt umgekehrt bei „konkret“: Nicht dem Nationalismus des Staatsvolks, das sich die politische „Problem“-Definition zu eigen macht und darüber eine Menge von praktizierenden Fremdenhassern hervorbringt, gilt ihr Ärger; sie wünscht sich Nationalisten, die sich beherrschen – und ist zutiefst enttäuscht, daß sie dies nicht können, weil bis in die Knochen versaut:

Das Volk: Ein gieriger Mob!

Polemisch werden diese linken Volkskritiker darum auch nicht gegen den vermeintlichen Nutzen des „stolzen“ Privilegs, „ein Deutscher zu sein“, der gegen Diener anderer Herren, sogenannte „Schmarotzer“, zuweilen handgreiflich wird, sondern gegen einen angeblich tatsächlichen Gewinn, den der Deutsche aus dem Wachstum des Sozialprodukts gezogen habe:

„Deutsche Mittelständler und Kleinbürger aller Art ließen einen bürgerlichen Staat, der ihre materielle Gier befriedigte, eine Zeitlang gewähren; sogar das Geschwätz von Partizipation und Multikultur konnten sie, reelle Aussicht auf Zweitwagen und Dritturlaub vorausgesetzt, ein Weilchen anhören, ohne gleich das Messer zu ziehen … Nichts ist mehr, wie es war, seit die Deutschen ihre Meinung über Integration von Minderheiten, mehr Partizipation und Bürgerrechte nicht mehr für ein Linsengericht bzw. einen Frontspoiler verkaufen können … Sich vorzustellen, welcher Meinung sie sein werden, wenn das Volk ein Volk in Not ist, weil das Sozialprodukt nur um 1% statt um 2% steigt, ist nicht schwer.“

Ausgerechnet die trostlose Milchmädchenrechnung von den Fremdlingen, die „uns Brot und Wohnung wegnehmen“, soll schnödem Vorteilsdenken entspringen? Wenn es so wäre: Warum haben dann die Rostocker keine Lohnforderungen gestellt, sondern sich und ihr hübsches Plattenbauviertel von Ausländern „befreit“? Warum neiden die gierigen Deutschen ausgerechnet den „Absahnern“ aus den Notunterkünften und von der Müllabfuhr ihre Wohn- und Arbeitsplätze? Warum halten sie sich nicht an Opel und Neckermann, wenn sie so scharf auf „Zweitwagen und Dritturlaub“ sind?

Umgekehrt: Weiß „konkret“ nicht, daß Materialismus ganz anders zu Werke ginge? Das kapitalistische Privateigentum enteignen, also die Sachzwänge des Profits außer Kraft setzen, und eine Produktion aufziehen, die genügend materielle „Gier“ befriedigt, daß man die „Ausländer“ munter mit durchfüttern könnte!

Stattdessen verbeißt sie sich in eine Neuversion der alten linken Bestechungstheorie. Früher erklärten sich Linke nicht, was Arbeiter treiben, sondern warum sie die Revolution nicht betreiben, für die linke Theoretiker sie verplant hatten. Heute will man wissen, daß die Deutschen eigentlich schon immer Faschisten waren, und beantwortet sich die Frage, warum sie es solange nicht gezeigt haben. In beiden Fällen wird der angeblich so übermäßige Konsum als die Bestechung entdeckt, mit der sich der Prolet zweimal seine – sehr entgegengesetzte – wahre Natur hat abhandeln lassen.

Der Staat: Ohne Rückgrat!

Spiegelbildlich das Urteil über die Politik: Wie die Gesellschaft, so ihr Staat. In eben dieser Reihenfolge.

  • Der Staat, ohne den kein Mensch jemals gemerkt hätte, daß „das Boot“ randvoll ist, gibt dem Pöbel nach und „opfert“ heißgeliebte Werte dem „Druck der Straße“, dem er wie immer gerne gehorcht:
„Heute wird das Asylrecht der Stimmungslage geopfert, morgen werden es vielleicht die Versammlungsfreiheit und die Freizügigkeit sein“ (Pohrt, 11/92);
  • die Öffentlichkeit, ohne deren tatkräftige Hetze am Thema Nr. 1 so mancher Zeitungsleser womöglich gar nicht gemerkt hätte, daß eine „Ausländerflut“ sein Leben beengt, leistet Schützenhilfe;
  • die Polizei, die den Wahnsinns-Brüdern nicht genügend Einhalt gebietet.

Einen politischen Zweck vermag „konkret“ in der Ausländerfrage vorne und hinten nicht zu entdecken. Entweder sie verwechselt die harte Absicht des aufgeworfenen Ausländerproblems mit dessen innenpolitischer Propaganda-Funktion und tippt auf „Ablenkung“ als „des Rätsels Lösung“. Oder sie verfabelt das Asylantenthema in eine Serviceleistung der Großkopferten an der faschistischen Natur ihrer Bürger. Oder sie dichtet dem Volk und seinen Führern am liebsten gleich einen kollektiven Wahn an, und landet damit zwangsläufig bei der modernsten Ausflucht für Unwissenheit – der Psychologie:

Die Figur des „häßlichen Deutschen“

Dem Vorurteil vom „guten Deutschen“, der Ansehen in aller Welt verdient, weil er in der Tradition von Goethe und Schiller steht und ein aufrechter Europäer ist, begegnet „konkret“ mit den Ressentiments eines zutiefst enttäuschten Volkserziehers, der an seine Schäfchen kaum noch glauben mag. Deren Denken und Handeln kritisiert sie als Ausdruck des spezifisch deutschen National-Charakters, der das Volk und die Taten seiner Herren bestimmt. Beim Zeichnen deutschen Un-Geistes imitiert „konkret“ die Rassisten sämtlicher Epochen und ersetzt die Kritik am rassistischen Tatendrang deutscher Nationalisten durch die Bebilderung der Behauptung: Die sind eben so:

  • triebhaft: Siehe „Linsengericht bzw. Frontspoiler“;
  • in seinen typisch deutschen Tugenden bloß berechnend: „Deutsch ist, sich solange ostentativ ordentlich, anständig und sauber aufzuführen, bis der Staat ein Einsehen hat und einem seine Verantwortungsethik in bar vergütet“ (Bruhn);
  • ein Psycho-Ferkel: „macht sich öffentlich in die Hose und entbietet dabei sichtlich selbstbewußt den Hitler-Gruß“; die typisch deutschen Tugenden (Ordnung, Anstand, Sparsamkeit) entstehen aus der Analerotik des Kindes; die gleiche Selbstermächtigung zur Barbarei, die in den Fäkalphantasien sich ausagiert, spricht aus der deutschen Faszination fürs öffentliche Urinieren;
  • eine Mischung aus Pawlow’schem Hund, Neger und Wolf: instinktiv gleichgestimmte Reaktion der ganzen Gesellschaft; starke Ähnlichkeit mit afrikanischen Eingeborenenstämmen; Rückbildung in eine Horde;
  • der ewige Jude: „In den Vietnamesen erkannte man für einen Moment die eigene kleinkrämerische Abgefeimtheit wieder und die Fähigkeit, alles zu versilbern“;
  • selber Schein-Asylant: „Sie riefen nach Demokratie und Einheit, weil sie unser Geld wollten. Selber haben die Ossis sich unter Vortäuschung ideeller Beweggründe bei uns eingeschlichen. Auf die Idee, daß auch mal Ossi-Busse im Westen brennen könnten, kommen diese seltsamen Menschen mit dem abgeschalteten moralischen Empfinden nicht“;
  • ein geklonter Zombie: „Die Gesichter dieser Helden kann man, wenn man’s aushält, lange betrachten, und findet doch keinen menschlichen Zug darin. Abstoßend häßlich sind sie und in der Häßlichkeit einander zum Verwechseln ähnlich“ (Pohrt);
  • das Gegenteil aller Tugenden, sprich „asozial“!

Dieser kurze Auszug aus dem Steckbrief des widerwärtigen Deutschen, über den sich „konkret“-Autoren seiten- und nummernweise auskotzen, ist gewiß nicht deswegen bemerkenswert, weil er einen an sich sympathischen Menschenschlag verunglimpfen würde. Bemerkenswert ist er, weil diese Kritiker des Nationalismus ihren Brechreiz selbst wieder nur als Theorie der nationalen (Un-)Arten formulieren können. Einen Rassisten vor den Spiegel zu stellen, ist eben auch nur ein Rassismus.

Fazit: Die „konkret“-Menschen blamieren öffentliche Ideologien manchmal an ihrer Dummheit und Gemeinheit, führen sie aber immer auf einen falschen Grund zurück: Im deutschen Nationalismus wollen sie eine ganz besonders widerwärtige Spezies (Unter?)Mensch entdeckt haben.

Vom deutschen Volk radikal enttäuscht sein – das ist auch ein Engagement für ein besseres Deutschland.